Volksbegehren „Aus Liebe zum Wald“

Informationen zur so genannten Forstreform und zum laufenden Volksbegehren

Die bayerische Staatsregierung hat zwei Gesetzentwürfe vorgelegt, die entscheidenden Einfluss auf die Bewirtschaftung der bayerischen Wälder haben werden. Das Bayerische Waldgesetz soll umfassend geändert werden, und mit einem zweiten Gesetzentwurf (Errichtungsgesetz) soll das Unternehmen „Bayerische Staatsforste“ gegründet werden. Es ist erklärtes Ziel der Bayerischen Staatsregierung und der CSU, den bayerischen Wald gemäß betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten zu bewirtschaften und damit Gewinnmaximierung zu betreiben.

Man kann davon ausgehen, dass die Gemeinwohlfunktionen des Waldes wie Erosionsschutz, Hochwasserschutz, Trinkwasserschutz, Immissionsschutz, Emissionsschutz, Erholungsfunktion und Natur- und Artenschutz leiden, wenn die Waldbewirtschaftung nur auf kurzfristigen Gewinn ausgerichtet wird. Wohin die Entwicklung gehen kann, zeigen die Österreichischen Bundesforste. Diese wurden bereits 1997 gegründet. Inzwischen sind sie ein international agierendes Unternehmen mit weltweiten Beteiligungen – in Russland haben sie z. B. gemeinsam mit einem finnischen Betrieb 176000 Hektar Wald gepachtet und beuten es ohne Rücksicht aus. In vielen Bereichen kann man die Grenze zwischen Bayern und Österreich am Zustand des Waldes erkennen. Es ist zu befürchten, dass dies in wenigen Jahren nicht mehr der Fall sein wird, wenn auch Bayerns Wälder in Holzäcker verwandelt werden.

Waldschäden auf Rekordniveau

Die Schäden in den bayerischen Wäldern haben bei der Mehrheit der Baumarten Rekordhöhe erreicht. Die durchschnittlichen Nadel-/Blattverluste übertreffen mit 24.6% das bisherige Maximum im Jahr 1992 mit 22.5%. „Der allmähliche Anstieg seit 1996 (15.8%) hat sich damit rapide beschleunigt und spiegelt die Auswirkungen der Trockenheit des vergangenen Jahres deutlich wieder“, so der Waldzustandsbericht 2004. Dort heißt es weiter: „Die relativ geringere Zunahme der Nadel- und Blattverluste gegenüber dem Gesamtergebnis darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Bergwald weiterhin am stärksten belastet ist.“ Ein ungünstigerer Zeitpunkt für die Ausrichtung der Forstwirtschaft auf reine Gewinnmaximierung ist nur schwer vorstellbar. (Wenn nicht anders gekennzeichnet, beziehen sich die Angaben der Paragraphen im Folgenden immer auf den Entwurf der neuen Waldgesetze der Staatsregierung.)

 

1. Gemeinwohlfunktion mangelhaft berücksichtigt, Gewinnmaximierung angestrebt

In dem neuen Waldgesetz sind einige gut klingende, aber unverbindliche Vorstellungen enthalten. Bei der konkreten Ausgestaltung sind dagegen deutliche Verschlechterungen im Vergleich zum gültigen Waldgesetz zu erkennen. Ein besonders auffallendes Beispiel dafür ist, dass zukünftig Waldfunktionspläne nicht mehr verpflichtend sind (Art. 5 (1)). In Waldfunktionsplänen wird, unter anderem festgelegt, welche Gemeinwohlfunktionen die einzelnen lokalen Wälder zu erfüllen haben.

Auch Artikel 15 des Errichtungsgesetzes ist mehr als verräterisch. Dort heißt es „den zu bewirtschaftenden Staatswald für Zwecke der Forstwirtschaft …, der Gewinnung von Bodenschätzen, der Vermietung oder Verpachtung oder in ähnlicher Weise zu nutzen…“. Dem Unternehmen „Bayerische Staatsforste“ – einer Anstalt des öffentlichen Rechts – wird zu diesem Zweck für das „Forstvermögen ein umfassendes, unentgeltliches Nutzungsrecht“ eingeräumt.

Die Anstalt erhält zudem das Recht in Konkurrenz zu privaten Anbietern in den Bereichen Holzhandel, Tourismus, Waldinventuren tätig zu werden. Nach wie vor unklar ist (siehe Art. 14 Errichtungsgesetz), welche Kapitalausstattung die zu gründende Anstalt des öffentlichen Rechtes erhalten soll. Wer die Haushalts-verhandlungen im Landtag verfolgt hat, weiß, dass es dafür nicht viel Geld geben wird. Dies zwingt aber die Anstalt dazu, den Holzeinschlag bereits von Anfang an massiv zu erhöhen und die Holzvorräte, die in den vergangenen 2 – 3 Jahrhunderten angesammelt wurden (z. B. alte Eichen und Buchen) zu verkaufen. Die verbliebenen Forstämter(ca. 50 von derzeit 150) könnten nach dem neuen Waldgesetz durch eine einfache Rechtsverordnung völlig abgeschafft werden (Art. 27).

2. Kniefall vor der Jagdlobby – Grundsatz Wald vor Wild ausgehöhlt

Bisher waren im Artikel 18 des Waldgesetzes als Gemeinwohlfunktionen, die bei der Bewirtschaftung zu berücksichtigen sind, genannt: Naturschutz, Landschaftspflege und Wasserwirtschaft. Die Jagd, eine sehr spezielle Form der Naturnutzung wird neu als Gemeinwohlfunktion aufgenommen und sogar an Position 1 gesetzt [Art.18 (1 Satz 5 (1)]. Ausdrücklich heißt es in der Begründung des Entwurfs „Die Einfügung in Satz 5 Nr. 1 verdeutlicht, dass die mit der Bewirtschaftung des Staatswaldes betrauten Stellen bei der Waldbewirtschaftung unmittelbar verpflichtet sind, auch die Belange der Jagd zu berücksichtigen und besonders eng und vertrauensvoll mit den Jagdbehörden zusammenzuarbeiten.“ Als besonders verheerend dürfte sich die Regelung in Art. 18 (1 (4)) auswirken: „Hierzu soll eine auf einen artenreichen und gesunden Wildbestand ausgerichtete Bejagung die natürliche Verjüngung der standortgemäßen Baumarten im Wesentlichen ohne Schutzmaßnahmen ermöglichen.“ Im Gesetz (Art. 4) sind die beiden Begriffe standortgemäße Baumarten und standortheimische Baumarten klar definiert. „Standortgemäße Baumarten: Baumarten, deren ökologische Ansprüche mit den erfassten Standorteigenschaften (Umweltbedingungen) übereinstimmen, die vital und bei angemessener Pflege ausreichend stabil sind und die keine negativen Einflüsse auf den Standort haben. Standortheimische Baumarten: Baumarten, die der natürlichen Waldgesellschaft des jeweiligen Standorts angehören“. Die Bejagung soll sich nur noch an der Verjüngung der standortgemäßen Baumarten ausrichten. Dazu muss man wissen, dass die einzelnen Baumarten vom Wild völlig unterschiedlich stark verbissen werden. Die Tanne und die Laubbäume werden von überhöhten Wildbeständen zuerst zerstört. Erst wenn nahezu nichts anders mehr übrig ist, wird die Fichte gefressen. Die Neuregelung bedeutet im Klartext, dass auch ein Wildbestand zugelassen werden kann, der nur noch die Verjüngung der Fichte zulässt. Die Folge ist, dass der Wald als nahezu reine Fichtenmonokultur aufwächst. Die natürlichen Wälder werden dadurch langsam zum Verschwinden gebracht. Waldsterben von unten nennen dies viele Förster, in Zukunft in Bayern mit Zustimmung des Landtages. Die CSU gibt damit den Grundsatz „Wald vor Wild“ praktisch auf.

In der Begründung finden sich weitere verräterische Formulierungen, welche die besonderen Belange der Jagd definieren. „Dazu zählen insbesondere die Reduktion von Schwarzwild im Wald, die Bejagung von Prädatoren…“ aus der Begründung der Staatsregierung Dr. 15/1772 S15. Mit Prädatoren sind alle Arten von Raubtieren und Greifvögeln gemeint. Die Bejagung dieser Tierarten ist ein Rückfall in die Steinzeit.

Ein weiteres Problem ist der Widerspruch zwischen Jagd und Erholungsfunktion. Die Jagd versucht bereits heute, als singulärer Naturnutzer manche Gebiete für sich zu monopolisieren und die Öffentlichkeit auszuschließen. Mit ihrem neu erlangten Status der Gemeinnützigkeit werden die Jagdbarone verstärkt versuchen, Wanderer, Jogger und Reiter zu verdrängen.

Der Entwurf des Volksbegehrens nennt wesentlich mehr Gemeinwohlfunktionen. In Art 2a werden genannt: Der Schutz von Klima und Boden, insbesondere der Schutz vor Lawinen und Muren, vor Steinschlag und Bodenerosion, Schutz des Wasserhaushalts, insbesondere der Schutz des Grundwassers und des Trinkwassers sowie der Schutz vor Hochwasser, Schutz der Natur, Schutz vor Immissionen, des Landschaftsbildes und von Erholung und Naturgenuss…

 

3. Bundesnaturschutzgesetz vernachlässigt, Kahlhiebe weiter möglich

Im neuen, gültigen Bundesnaturschutzgesetz ist klar das Ziel formuliert, dass Kahlschläge nicht gestattet sind [Art. 5 (5) Bundesnaturschutzgesetz]. Dieses Ziel wird im Entwurf zum neuen Waldgesetz nicht berücksichtigt. Es findet sich nur die nichts sagende Formulierung: „….im Hochwald Kahlhiebe zu vermeiden“. Auch die klare Bestimmung „Ein hinreichender Anteil standortheimischer Forstpflanzen ist einzuhalten“ wird nicht beachtet.

 

4. Europäische Naturschutzgesetzgebung ignoriert

Die bayerische Staatsregierung hat etwa ein Drittel der Fläche des Staatsforstes bei der EU als „Natura 2000-Fläche“ gemeldet. Der Begriff Natura 2000 kommt in der gesamten Neufassung des Waldgesetzes nicht vor. Bei einem Natura 2000-Gebiet ist es vorgeschrieben, den ökologischen Zustand zu erhalten oder zu verbessern. Für alle Natura 2000-Gebiete sind laut Gesetz Managementpläne zu erstellen. Die Natura 2000-Gebiete sind die europäischen Schutzgebiete. Die Europäische Kommission möchte ein europaweites Netz aus Schutzgebieten errichten, um die wildlebenden Tier- und Pflanzenarten Europas zu erhalten. Wie die Staatsregierung diese umfangreiche Meldung von Staatsforstflächen und die gleichzeitige Gewinnmaximierung miteinander in Einklang bringen will, ist völlig unklar.

 

5. Kommunen wieder belastet

Die Staatsregierung will künftig nicht mehr die Kosten für die Bewirtschaftung der kommunalen Wälder übernehmen. Die kommunalen Wälder müssen zukünftig nicht mehr vorbildlich bewirtschaftet werden (ergibt sich aus Art 19 (1 (1) – der Satz: „besondere Gemeinwohlleistungen zu erbringen“ gilt nicht für den Körperschaftswald).

 

6. Demokratieprinzipien ignoriert

Wie viel die Staatsregierung vom bayerischen Landtag hält, kann man schön an der Zusammensetzung des Aufsichtsrates der Anstalt erkennen (Art. 10 des Errichtungsgesetzes). Er besteht aus 4 Ministeriumsvertretern, 2 Personalvertretern und 2 Vertretern der bayerischen Wirtschaft, keinem Vertreter des Landtags und keinem Vertreter aus der Zivilgesellschaft. Unverständlicherweise wurde keine Regelung für den Modus der Berufung der Wirtschaftsvertreter im Gesetz getroffen. Wie zum Hohn wird diese undemokratische Regelung auch noch mit dem Demokratieprinzip begründet. „Zur Berücksichtung zentraler Belange des Anstalts- und Gewährträgers (Freistaat Bayern) sowie aus rechtlichen Gründen erhält der Freistaat Bayern mit dem Staatsminister…“ und 4 weiteren Ministeriumsvertretern die Mehrheit im Aufsichtsrat, aus der Begründung der Staatsregierung Dr. 15/1775 S.13.

 

7. Arbeitsplätze vernichtet

Diese Anstaltsgründung wird zu einem Verlust von 15% der Arbeitsplätze sowie zu einer massiven Zunahme der Industrialisierung und des Einsatzes von Maschinen im Staatsforst führen.

Es ist davon auszugehen, dass die Neuausrichtung der Bewirtschaftung des Staatswaldes mittel- und langfristig hohe Kosten im Bereich Hochwasser-, Trinkwasser- und Lawinenschutz nach sich ziehen wird. Neue Erkenntnisse zeigen, dass der Trinkwasserschutz nur durch naturnahe Wälder gewährleistet werden kann. Intensiv genutzte Forste (z.B. Fichtenmonokulturen) sind dazu nicht in der Lage. Bei einer auf kurzfristige Gewinnmaximierung ausgerichteten Betriebsführung ist mit einer Zunahme, zumindest nicht mit einer Abnahme der immer noch überrepräsentierten Fichtenforste zu rechnen.

Diese Kosten werden die geplanten Einsparungen sicher übersteigen. Überdies wird durch die vorgesehene Zerschlagung des bewährten Einheitsforstamtes die Bürokratie zunehmen, denn nun sind zwei getrennte Stellen für den Staatsforst zuständig. Selbst die Nutzen/Kostenanalyse der Staatsregierung geht allenfalls von minimalen Einsparungen aus. Die Staatsregierung gibt die volkswirtschaftliche Betrachtung des Waldes zu Gunsten einer kurzfristigen betriebswirtschaftlichen Sichtweise auf.

Im Entwurf des Bund Naturschutz für das Volksbegehren wird dagegen das Waldgesetz weiter entwickelt und in wesentlichen Punkten verbessert. Die Gemeinwohlfunktionen werden umfassend festgelegt (Art. 2a und 18).

Vom 16. bis 29. 11. können sich die Wahlberechtigten im Hohenbrunner Rathaus im Erdgeschoß, Zimmer 4, für das Volksbegehren eintragen.

Öffnungszeiten:

Montag bis Freitag 8.00 Uhr bis 12.00 Uhr,
Montag bis Donnerstag 13.00 Uhr bis 16.00 Uhr,

zusätzlich:
Mittwoch, 21. 11., 13.00 Uhr bis 20.00 Uhr
Samstag, 27. 11., 8.00 Uhr bis 12.00 Uhr

Bitte Personalausweis oder Reisepass mitnehmen!

Der Bund Naturschutz ist der Initiator des Volksbegehrens

 

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