Unter diesem Titel luden die GRÜNEN Ortsverbände Hohenbrunn, Höhenkirchen-Siegertsbrunn, Ottobrunn und Neubiberg am 26. April zu einer Podiumsdiskussion ein mit dem GRÜNEN Europaparlamentarier Martin Häusling, dem Kreisobmann des Bayerischen Bauernverbands Anton Stürzer, Christian Hierneis als Vertreter des Bund Naturschutz sowie Benno Maier, Landwirt aus Hohenbrunn, und Michael Stark, Gutsverwalter Gut Riem (Stadtgüter München).
Warum geht Landwirtschaft und nachhaltiger Artenschutz scheinbar nicht zusammen? Warum arbeiten Bauern und Naturschützer nicht Hand in Hand? Und welchen Anteil am Dilemma trägt die europäische Agrarpolitik? Kann Europa die Brücke bauen zwischen Landwirtschaft und nachhaltigem Artenschutz? Diese Fragen wurden mit großer Ernsthaftigkeit, aber in vielen Punkten kontrovers unter Beteiligung zahlreicher Zuhörer diskutiert. Thorsten Kerl moderierte und führte Gesprächsteilnehmer und Zuhörer durch viele Fragen und immer wieder zum Thema zurück. Wer glaubte, dass nach Volksbegehren „Rettet die Bienen!“ und Rundem Tisch die Annäherung von Landwirtschaft und Naturschutz in Bayern schon weitestgehend gelungen sei, sah sich eines Besseren belehrt.
Der Bayerische Bauernverband sieht seine Aufgabe als Interessensvertreter der Landwirtschaft offensichtlich vor allem in der ökonomischen Absicherung der Landwirte. Anton Stürzer beklagte einerseits die Abhängigkeit der Bauern von Subventionen, sieht eine Umsteuerung von Subventionen hin zur Belohnung nachhaltiger, ökologischer Landwirtschaft aber kritisch. Der Markt könne mehr Bioprodukte gar nicht aufnehmen. Zur Welternährung seien ganz andere Mengen erforderlich als die Ökolandwirtschaft erzeuge und dies zu bezahlbaren Preisen.
Stürzer kritisierte, der Bauernstand werde von Umweltschützern an den Pranger gestellt. Es werde immer schwieriger junge Menschen für die Landwirtschaft zu gewinnen. Er vertrat die Meinung, die Landwirtschaftspraxis könne auf chemische „Pflanzenschutzmittel“ nicht verzichten. Pestizide und Herbizide würden zu unrecht verteufelt, man wende sie verantwortungsvoll an. Was in Bayern konventionell erzeugt werde, sei zum Teil qualitativ besser als die z.B. aus China importierten Bioprodukte. Stürzer bezweifelte das von Umweltschützern beschriebene Ausmaß des Artenschwunds und Insektensterbens. Wenn berichtet werde, dass an Windschutzscheiben kaum mehr Insekten kleben, müsse man berücksichtigen, dass inzwischen sehr viel mehr Autos unterwegs seien.
Dem stellte Christian Hierneis entgegen, dass in wissenschaftlichen Studien nachgewiesen und eigentlich nicht mehr strittig sei, dass viele Tier- und Pflanzenarten in ihrem Bestand bedroht und globale Ökosysteme erheblich beeinträchtigt sind. Die Folgewirkungen sind kaum vorhersehbar. In den über Millionen Jahre entstandenen Ökosystemen habe jede Art ihren Platz – ihren sinnvollen Platz! – und eine Aufgabe. Eigentlich könne auf keine Art verzichtet werden. In den letzten Jahren hat sich aber das Artensterben beschleunigt, die Dinge verändern sich rasant. Und ein Teil des Problems sei, das könne niemand bestreiten, die intensive Landwirtschaft, der Einsatz von Ackergiften, Überdüngung, fehlende Hecken und Feuchtgebiete. Es sei unbestritten, dass auch andere Faktoren, etwa der Flächenfraß und die Verkehrsentwicklung eine Rolle spielen. Trotzdem sei vor allem und vor allem schnell eine Kehrtwende in der Landwirtschaft, eine wirkliche Agrarwende erforderlich.
Dies unterstrich auch Martin Häusling immer wieder in der Diskussion. Kleine Ansätze, Blühinseln und Blühstreifen, werden es nicht richten. Aus seiner praktischen Erfahrung als Biobauer könne er mit Fug und Recht sagen, es gehe auch ohne Gift und Chemie. Er selbst habe die Umstellung der elterlichen Landwirtschaft in einen Biobetrieb schon vor vielen Jahren gegen familiäre Widerstände erfolgreich geschafft. Diese Überzeugung teilte auch Michael Stark, der sich als “Biobauer mit Leib und Seele“ bezeichnete. Er betonte die Notwendigkeit, Verständnis für Natur und Umwelt, Nachhaltiges Wirtschaften, gesunde Ernährung usw. als Bildungsauftrag zu verstehen, ebenso den Erhalt und die Weiterentwicklung von Wissen über ökologische Landwirtschaft – denn ökologisch war das landwirtschaftliche Arbeiten über Jahrhunderte, intensive Landwirtschaft und Chemieeinsatz haben sich erst in den vergangenen 50, 60 Jahren entwickelt.
Ganz anders als Anton Stürzer sieht Martin Häusling auch ein großes Potenzial für nachhaltig erzeugte Bioprodukte. So könnte in der Kantinenverpflegung, in Krankenhäusern, Kindertagesstätten und Seniorenheimen Bioprodukte verwendet werden. Und solange mehr als 30% der in Deutschland nachgefragten Bioprodukte importiert werden, könne von einer Marktsättigung noch lange nicht die Rede sein. Auch das Argument einer Massenproduktion zur Sicherstellung der Welternährung ließ er nicht stehen. Die aus gesundheitlicher Sicht problematische Fleischüberversorgung bzw. die insgesamt irren Mengen an täglich weltweit vernichteten Lebensmitteln zeigten doch, dass dies nicht richtig sein kann. Häusling beleuchtete schließlich die globale politische Dimension von intensiver Landwirtschaft und Massenproduktion. Diese sichern die Welternährung nicht – ganz im Gegenteil: Export hoher Erzeugungsüberschüsse und Preisdumping zerstören vielmehr Landwirtschaft und Fähigkeit zur regionalen Versorgung mit verheerenden Folgen für ärmere Länder und Entwicklungsregionen.
Bei der Frage nach der Rolle Europas waren die Diskussionsteilnehmer dann allerdings näher beieinander. Die Europäische Agrarpolitik, insbesondere die Förderpolitik könne und müsse wichtige, ja entscheidende Weichen für die weitere Entwicklung der Landwirtschaft setzen. Eine Beibehaltung der flächenbezogenen Förderung (große Flächen, viel Fördergelder – kleine Flächen, wenig Förderung) sei nicht zukunftsfähig. Intensive, industrielle Landwirtschaft in Großbetrieben schadet der Biodiversiät und der bäuerlichen Landwirtschaft, sie führt zum Artensterben und zum Höfesterben. Dass Fördermittel zukünftig an Qualitätskriterien gekoppelt sein und v.a. nachhaltige Landwirtschaft unterstützen, dass Landwirtschaft und Artenschutz versöhnt werden müssen, war am Ende weitgehend klar. Der Weg dorthin noch nicht.
In der Diskussion, wie in seiner Schlussbemerkung gab sich Benno Maier, der eine konventionelle Landwirtschaft betreibt, deshalb nachdenklich. Er sei gerne Landwirt und wolle nichts lieber als ordentliche Produkte erzeugen. Er möchte ein wirklich selbständiger, nicht subventionsabhängiger Bauer sein und wolle Preise, die seine Arbeit und die Qualität seiner Produkte widerspiegeln. Er wisse aber nicht, wie das gehen soll, ob das in Zukunft so sein wird, ob sein Sohn, der ihm vielleicht nachfolgt, einmal so arbeiten könne.
Gut zu sehen und vielleicht ein positives Zeichen war, dass die beiden jüngeren Landwirte aus der Region mit viel Verständnis für die jeweilige „Gegenseite“ diskutierten, keineswegs eine fertige Position mitbrachten und verteidigten. Young farmers for future? Vielleicht. Eines ist klar, wie beim Klimawandel bleiben uns für eine rechtzeitige Agrarwende und Artenschutz eher Jahre als Jahrzehnte.
Ja, Europa kann und muss die Brücke bauen zwischen Landwirtschaft und Artenschutz. Bei der Europawahl in vier Wochen geht es nun darum, wer die Brücke kann. Deshalb hoffen wir auf ein ganz starkes GRÜNES Ergebnis.
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